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Fachanwalt Arbeitsrecht Hamburg - Weiter ungeklärt: Kündigung von Leiharbeitern im Konzern (bedeutender Zulieferbetrieb des Airbus Konzern)


26.11.2012

Unternehmen A hat sehr viele Mitarbeiter. Aber es hat nur wenige Büros, keine Werkhallen und produziert nichts, nicht einmal Dienstleistungen. Unternehmen B dagegen hat so gut wie keine Mitarbeiter. Dafür hat es große Werkhallen, unzählige Büros und ist ein bedeutender Zulieferer eines bedeutenden Flugzeugherstellers in Hamburg. Wie das geht? Ganz einfach: Beide Unternehmen gehören zu einem Konzern. Unternehmen A stellt die Mitarbeiter ein und verwaltet sie. Dann verleiht es die Mitarbeiter an Unternehmen B. A ist also das Personalbüro, B der Produzent. Nur dass es sich hier um rechtlich zwei verschiedene Unternehmen handelt.

Kündigung ohne alles

Damit ein Fall daraus wird, musste unser Mandant M, eingestellt von A und zur Beschäftigung an B ausgeliehen, gekündigt werden. Der Anlass war ebenso simpel wie belanglos: Angeblich soll M einmal gegen Sicherheitsschriften verstoßen haben. Darauf erklärte das Unternehmen B sofort gegenüber dem Unternehmen A: Den wollen wir nicht mehr, mit der Entleihung ist Schluss. Und Unternehmen A, der rechtliche Arbeitgeber, erklärte: Mein lieber M, es tut uns ja leid, aber Du weißt doch: Wir stellen nichts her und haben Arbeit für niemanden und für Dich schon gar nicht. Wenn Dich der Entleiher nicht mehr will, ist Dein Job weg. Deshalb haben wir für Dich nur noch die betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes. Für die Zukunft wünschen wir Dir alles Gute.

Da stimmt doch etwas nicht

Wir wäre es im Normalfall, wenn M von einem und demselben Unternehmen angestellt und beschäftigt worden wäre? Sollte M wirklich gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen haben, wäre das dann bestenfalls eine Abmahnung wert. Weder eine fristlose Kündigung wäre möglich gewesen (Es sei denn, es wäre etwas wirklich ganz Schlimmes passiert) noch gar eine Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes. Weder personenbedingte noch verhaltensbedingte Gründe noch dringende betriebliche Erfordernisse hätten eine Kündigung gerechtfertigt. Damit hätte keiner der drei zulässigen Kündigungsgründe nach § 1 Abs. 2 S. 1 KüschG vorgelegen. Die Kündigung wäre unwirksam gewesen.

Wofür die Berufung gut ist

Das Arbeitsgericht sah das anders. Schließlich sei der Arbeitsplatz durch die Weigerung des Entleihers B weggefallen, den M weiter als Leiharbeiter zu beschäftigen. Unternehmen A, der rechtliche Arbeitgeber und Verleiher, habe auch hinreichend erläutert, dass es selbst keinerlei eigene Beschäftigungsmöglichkeit für M habe. Wenn der Entleiher den Leihvertrag kündige, sei eben Schluss mit lustig. Das müsse man ja nicht gut finden, aber so sei das nun einmal gesetzlich vorgesehen. Also hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage konsequenterweise abgewiesen.

Aber kann man das Kündigungsschutzgesetz, inzwischen fast schon die letzte Bastion des sozialen Arbeitsrechts in Sachen Sicherheit des Arbeitsplatzes, so einfach aushebeln? Man gründet eine "X-Personal-Verleiher GmbH", deren einzige Aufgabe es ist, an die "X-Personal-Entleiher-und Produktions-GmbH" Arbeitskräfte auszuleihen, kündigt dann nach Lust und Laune den Entleihvertrag und schon steht der Arbeitnehmer beim Arbeitsamt auf der Matte? Das kann nicht richtig sein. Leiharbeit mag für Arbeitsspitzen oder als Ersatz für vorübergehend ausgefallene Mitarbeiter sinnvoll sein. Aber hier macht daraus einer sein Geschäftsmodell, und das mit dem einzigen Ziel, beliebig kündigen zu können. Also wird Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt. Dazu gibt es noch etwas in der Hinterhand: Im Arbeitsvertrag des M steht nämlich „Die Beschäftigung erfolgt durch Entleihung oder durch Eigenbeschäftigung.“ Das Unternehmen A, der Entleiher, hatte sich also vertraglich vorbehalten, den M auch selbst zu beschäftigen, obwohl es schon beim Abschluss des Vertrags keine eigene Beschäftigung für ihn hatte. Das war natürlich eine reine Vorsichtsmaßnahme, um sich alle Optionen für den Fall der Umorganisation des Konzerns offenzuhalten. Aber das war zumindest ein Haken, an dem man die Berufung aufhängen konnte. Wenn eine Beschäftigung auch beim Entleiher A selbst vereinbart war, hat sich da ja nichts geändert. Beim A lagen keine geänderten betrieblichen Umstände vor, die eine Kündigung rechtfertigen könnten. Also müssen die ihn auch weiterbeschäftigen. In Wahrheit ging es natürlich um die Frage der Aushebelung des Kündigungsschutzgesetzes, aber für eine Berufung hat man ja gerne etwas Konkretes.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg grübelt

Was ist das also für eine Kündigung, grübelt das Landesarbeitsgericht denn auch in der Berufungsverhandlung. Wo ist hier das betriebliche Erfordernis? Beim A hat sich doch nicht geändert? Darauf der gegnerische Vertreter vom Arbeitgeberverband leicht angesäuert: Ist mir doch egal, nehmen Sie was Sie wollen. Ab das sieht das Landesarbeitsgericht natürlich etwas anderes. Selbst wenn man diese Frage einmal zurückstelle: Ob eine Leiharbeiterkündigung im Konzern so einfach sei, grübelt das LAG weiter, habe das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Irgendwie rieche das ja schon nach Umgehung des Kündigungsschutzes. Das hier sei ja vielleicht der passende Fall für so eine Entscheidung? So einfach, wie sich das der Entleiher A vorstelle, gehe es ja vielleicht nicht, das könne man ja einmal klären.

So weit, so gut. Geworden ist das mit der Klärung der Super-Simpel-Kündigung eines Leiharbeiters im Konzernverbund (oder einer entsprechenden anderen rechtlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von Entleiher und Verleiher) dann leider doch nichts. Unser Mandant hatte inzwischen eine neue Arbeit gefunden. Entleiher A stand also nicht im Risiko, nach einer vielleicht langwierigen Entscheidung des BAG zu Gunsten des M Verzugslohn zahlen zu müssen. Hätte das LAG die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt, hätten die das vermutlich einfach akzeptiert und keine Revision eingelegt. Auf der anderen Seite hatte auch unser Mandant kein echtes Interesse mehr, bei A (oder dem Entleiher B) weiterzuarbeiten. Mit seinem neuen Job ist er ganz zufrieden. Konsequenter Weise hat das LAG deshalb noch einmal einen Vergleichsvorschlag gemacht: Einverständliche Beendigung des Arbeitsvertrags und Zahlung einer Abfindung. Diesen Vorschlag haben A und auch unser Mandant schließlich angenommen. Der Streit ist beendet und alle Fragen offen. Aber wer weiß: Vielleicht haben wir schon bald wieder einen ähnlichen Fall, wir haben es ja öfters mit dieser ganzen Flugzeugindustrie zu tun.

 
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