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Gewerkschaftsaustrittsprämie verstößt gegen die Koalitionsfreiheit


04.07.2016

Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen (Entscheidung vom 09.03.2016, Az.: 3 Ga 3/16) hatte jüngst über die Rechtsmäßigkeit des Versprechens einer Gewerkschaftsaustrittsprämie zu entscheiden. In dem vom Arbeitsgericht Gelsenkirchen zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern eine „Mitarbeitertreueprämie“ bei Nachweis einer verbindlichen Kündigungsbestätigung der bisherigen Mitgliedschaft einer Arbeitnehmervertretung versprochen. Die betroffene Gewerkschaft wehrte sich gegen das Verhalten des Arbeitgebers und machte diesbezüglich Unterlassungsansprüche im Rahmen einer einstweiligen Verfügung geltend.

Im Ergebnis mit Erfolg. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat entscheiden, dass das Verhalten des Arbeitgebers eine Verletzung der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit darstellt. Der hiermit verbundene Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft ergibt sich aus §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 9 Abs. 3 GG. Die Vorschrift des § 1004 Abs. 1 BGB ist nämlich nicht nur auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern erstreckt sich darüber hinaus auf die Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen, insbesondere auch auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte kollektive Koalitionsfreiheit.

Neben dem Schutz des Einzelnen in seiner Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeitsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben, betrifft Art. 9 Abs. 3 GG auch den Schutz der Koalition selbst. Hiervon umfasst sind insbesondere ihr Bestand, ihre organisatorische Ausgestaltung sowie ihre Betätigungen, sofern sie dem Zweck dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Den Kern des koalitionsspezifischen Betätigungsfeldes bildet hierbei die Tarifautonomie, die es den Gewerkschaften ermöglicht, im Rahmen der gesetzlichen Grenzen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen mit dem sozialen Gegenspieler sinnvoll auszuhandeln.

Die Verhandlungsstärke einer Koalition hängt hierbei maßgeblich von ihrer Mitgliederanzahl ab. Diese sichern den finanziellen Bestand und sind maßgeblich für die Durchsetzungsfähigkeit in Vertragsverhandlungen. Insbesondere der Organisationsgrad einer Gewerkschaft sowie die Verteilung ihrer Mitglieder in den jeweiligen Betrieben sind bestimmend für die Wahl der Mittel, die eine Arbeitnehmerkoalition zur Durchsetzung ihrer Forderungen einsetzen kann. Das Versprechen einer Gewerkschaftsaustrittsprämie zielt einzig und allein darauf ab, einen finanziellen Anreiz für den Austritt aus einer Gewerkschaft zu schaffen und damit Einfluss auf den Mitgliederbestand zu nehmen. Die damit einhergehende Schwächung des sozialen Gegenspielers stellt eine Verletzung der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten kollektiven Koalitionsfreiheit dar. Dementsprechend dürfen weder Arbeitnehmer, die sich einer Gewerkschaft anschließen wollen, durch wirtschaftlichen Druck hieran gehindert werden; noch dürfen bereits bestehende Mitglieder einer Gewerkschaft durch wirtschaftlichen Druck oder finanzielle Anreize zum Austritt bewegt werden.

 

Sandra Schmitz
Rechtsanwältin

 
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